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Sick Building Syndrom sick building syndrome Das Sick Building Syndrom (Krankes Gebäude Syndrom) ist kein medizinischer Fachbegriff, sondern ein Komplex unspezifischer Krankheitssymptome, die nicht unmittelbar einer Krankheit zugeordnet werden können und dem Aufenthalt in Gebäuden zugeschrieben werden. Diese Symptome zeigen eine charakteristische Periodizität, indem sie im Laufe des Arbeitstages an Intensität zunehmen und meist schnell nach Verlassen des Gebäudes abklingen. Verschiedene nationale und internationale Studien zeigen, dass dieser Erkrankungskomplex einen nicht unbeträchtlichen volkswirtschaftlichen Schaden verursachen kann. Diese Krankheitserscheinungen wurden vorwiegend in Bürogebäuden, aber auch in Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern beobachtet.

Der Name Sick Building Syndrom wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1983 geprägt und ist eigentlich irreführend und unwissenschaftlich, da man ein Gebäude nicht als krank oder gesund bezeichnen kann, sondern nur die Menschen durch die Gebäude krank werden können. Der bessere Begriff wäre sicher krankmachende Gebäude. Allerdings ist auch diese Bezeichnung nicht exakt, denn beim SBS ist es nicht ganz klar, ob oder welche Gebäudeeinflüsse zu den Befindlichkeitsstörungen führen. Trotzdem hat sich dieser Begriff auch in der wissenschaftlichen Literatur durchgesetzt.

Eine Vielzahl von nationalen und internationalen wissenschaftlichen Studien hat die Existenz des Sick Building Syndroms bestätigt. Trotz der Mängel in der Vergleichbarkeit internationaler Untersuchungen, hat sich eine Anzahl von Kernsymptomen herausgestellt, welche immer wieder beim Sick Building Syndrom beobachtet werden: Es handelt sich hierbei insbesondere um Symptome
  • des zentralen Nervensystems (ZNS) wie Kopfschmerzen, Schwindel, Unwohlsein, Konzentrationsschwierigkeiten, schnellere, insbesondere geistige Ermüdung, Erschöpfung, Schweregefühl im Kopf,
  • der Schleimhäute der Augen und Atemwege insbesondere Reizungen (laufende Nase, tränende Augen, Trockenheitsgefühl, Stechen, Brennen oder Jucken, Heiserkeit),
  • der Haut wie Reizungen, trockene Haut, Stechen, Brennen oder Jucken sowie
  • von Geruchs- und Geschmacksorganen wie veränderte Empfindlichkeit, unangenehme Geruchs- bzw. Geschmackswahrnehmung.
Die Symptome des Sick Building Syndroms treten signifikant häufiger in klimatisierten Räumen als in konventionell belüfteten, sowie vorwiegend in Bürogebäuden auf. Diese gebäudebezogenen Gesundheitsstörungen lassen sich keiner spezifischen Erkrankung zuordnen und sind auch nicht durch laborchemische Untersuchungen objektivierbar.

Die Weltgesundheitsorganisation (1983) spricht von einem "temporären SBS" wenn die Symptome in neu erbauten bzw. renovierten Gebäuden auftreten und die Symptomatik nach ca. einen halben Jahr abnimmt sowie von "permanentem SBS", wenn die entsprechende Gesundheitsstörungen über Jahre bestehen bleiben. Hierbei besteht kein einfacher Zusammenhang zwischen den aufgetretenen Beschwerden, der Empfindlichkeit der Gebäudenutzer sowie der Exposition. Der Prozentsatz der Betroffenen übersteigt beim SBS deutlich den in jeder Bevölkerung vorhandenen Anteil von Personen, die aus medizinischen oder biologischen Gründen besonders empfindlich sind.

Das SBS ist auf vielfache Ursachen zurückzuführen (multifaktorielles Geschehen), bei welchen physikalische, chemische, biologische sowie psychologische Faktoren beteiligt sind. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass in der Bevölkerung normalerweise zwischen zehn bis 20 Prozent der Personen verschiedenste unspezifische Beschwerden haben. Deshalb wird gefordert, dass man nur dann von SBS-Syndrom sprechen kann, wenn die zehn bis 20 Prozent-Grenze bei der Anzahl der Personen mit den betreffenden Beschwerden in einer Untersuchung überstiegen wird. Die Diagnose Sick Building Syndrom wird dann gestellt, wenn alle gebäudebezogenen Gesundheitsprobleme, welche auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen sind, ausgeschlossen wurden. Es handelt sich hier also um eine Ausschlussdiagnose. Die Beschwerden des Sick Building Syndroms können bei Einzelpersonen sowie bei Gruppen von Personen in Wohngebäuden, öffentlichen Gebäuden sowie auch in Gewerbebetrieben auftreten.

In der ProKlimA-Studie erfolgten in 14 Bürogebäuden an ca. 1500 Arbeitsplätzen Befragungen zum Sick Building Syndrom sowie chemische, physikalische und biologische Messungen und arbeitswissenschaftliche und soziodemographische Erhebungen, einschließlich medizinischer Screeningsverfahren (Bischof u. Mitarb. 2003). Hierbei ergab sich, dass der Anteil von Personen die über Befindlichkeitsstörungen aus dem SBS-Syndrom klagten, in klimatisierten Räumen im Mittel höher lag, als in natürlich belüfteten. Die Untersuchung erbrachte aber auch, dass klimatisierte Gebäude geringere physikalische, chemische und biologische Lasten aufwiesen, d.h. ein günstigeres Raumklima sowie niedrigere Schadstoffkonzentrationen und Bakterienkonzentrationen zeigten, als nichtklimatisierte Gebäude. Das widerspricht der Auffassung, dass das SBS durch erhöhte Expositionen von Schadstoffen, Mikroorganismen oder ungünstige klimatische Verhältnisse hervorgerufen wird. Die Gründe für das vermehrte Vorkommen des Sick Building Syndroms in Räumen mit Klimaanlagen könnten Vorurteile von Personen gegenüber klimatisierten Räumen sein, welche die "klassische" Fensterlüftung bevorzugen. Allein schon die Tatsache, dass man in Gebäuden mit Klimaanlagen die Fenster nicht mehr zum Lüften öffnen kann oder darf, ruft bei manchen Menschen ein Unbehagen herrvor.

Detaillierte Untersuchungen der erhobenen Daten zeigten (multiple logistische Modelle), dass in den untersuchten Bürogebäuden Befindlichkeitsstörungen primär mit Faktoren aus Bereichen der Tätigkeit und Ergonomie sowie der persönlichen Dispositionen und psychosozialen Gegebenheiten verbunden waren. So erhöhten das Vorhandensein einer akuten Erkrankung zum Zeitpunkt der Untersuchung die Arbeitsunzufriedenheit sowie der tägliche Umgang mit schlechter Computersoftware das Risiko für SBS-Beschwerden signifikant. Besonders hoch war der Anteil von Personen mit SBS bei solchen, welche über eine Allergie sowie Haut- und Nasenbeschwerden berichteten. Frauen hatten generell ein höheres Beschwerderisiko, während Alter und Bildungsniveau eine untergeordnete Rolle spielten.

Hinsichtlich der Arbeitsunzufriedenheit zeigte sich ein klarer Trend: Je ungünstiger die eigene Tätigkeit bewertet wurde, umso höher wurde das Risiko für SBS. Es muss in diesem Zusammenhang betont werden, dass in den untersuchten Gebäuden und Räumen nur in Ausnahmefällen Richtwerte physikalischer, chemischer oder biologischer Innenraumparameter überschritten wurden, d.h. dass die Betreffenden nicht oder nur gering durch diese Umweltfaktoren negativ beeinflusst waren. Die Belastung der Innenraumluft durch Schadstoffe, zum Beispiel flüchtige organische Verbindungen (VOC) oder schwer flüchtige organischer Verbindungen (SVOC), ein Befall mit Mikroorganismen (Schimmelpilze) und andere Faktoren spielten nur in Einzelfällen eine Rolle für Beschwerden.

Als Ursachen für das SBS werden angegeben:

  • Arbeitsunzufriedenheit,
  • ungenügende Lüftung,
  • Raumtemperaturen über 22°C (dadurch auch Möglichkeit vermehrter Ausgasung von flüchtigen organischen Verbindungen – VOC),
  • Luftfeuchtigkeit über 70 % (Unbehaglichkeitsempfindungen),
  • Luftfeuchtigkeit unter 20 % (Austrocknen der Schleimhäute, elektrostatische Aufladung),
  • künstliches Licht, Art der Beleuchtung sowie der Beleuchtungskörper,
  • Lärm, Schwingungen, niederfrequenter Schall,
  • Luftionen, insbesondere Überwiegen positiv geladener Ionen,
  • nicht zu öffnende Fenster,
  • Großraumbüros,
  • psychophysische Faktoren (zum Beispiel Bildschirmarbeit, Stress),
  • soziale Faktoren,
  • gegenseitige Beeinflussung der Beschäftigten (Massenhysterie),
  • chemische Luftinhaltsstoffe aus der Außenluft (gasförmige Luftverunreinigungen, Schwebstaub) und/oder aus der Innenraumluft insbesondere flüchtige und schwer flüchtige organische Verbindungen (VOC und SVOC) z.B. durch Tabakrauch, Baumaterialien, Raumausstattungsgegenstände, Teppichböden, Haushaltsprodukte, Fotokopierer, Pestizide, RLT-Anlagen. Diese Luftverunreinigungen können geruchlos sein, oder sich als Gerüche manifestieren.


Ein entscheidender Faktor zur Vermeidung gesundheitsbeeinträchtigender Ansammlungen von Schadstoffen in der Innenraumluft sowie für die Sicherung der Abfuhr der Feuchtigkeit aus Innenräumen ist eine ausreichende Lüftung. Für die Prophylaxe und Bekämpfung der im Zusammenhang mit den Bedingungen in Gebäuden auftretenden Erkrankungen gelten neben der Beseitigung spezieller gefundener Ursachen folgende allgemeinen Prinzipien:

Auf die Anwendung von RLT-Anlagen in Büro- und Wohngebäuden sollte, wenn eine Luftwechselzahl von mindestens 0,5 auch ohne Öffnen der Fenster gesichert ist, weitgehend verzichtet werden. Zum Einsatz kommende RLT-Anlagen sind unter Beachtung der hygienischen Aspekte zu planen, zu bauen und zu warten.

Eine ausreichende Lüftung und günstige Raumlufttemperatur ist zu sichern. Innenraumemissionen sind durch geeignete Wahl der Baustoffe, Farben und Raumausstattungsgegenstände zu minimieren durch regelmäßige Reinigung des Gebäudes, ergometrische Arbeitsplatzgestaltung und Nichtrauchen am Arbeitsplatz.

Da es sich bei dem Sick Building Syndrom nicht um ein klar definiertes Krankheitsbild handelt, gibt es keine spezifische Behandlung. Die individuelle Therapie orientiert sich an den Beschwerden (Linderung der Symptome). Kurse zur Stressbewältigung können für manche Betroffene sinnvoll sein. Auch eine zeitlich befristete Expositionskarenz kann zum Erfolg führen. Wenn erforderlich, sind gebäudebezogene Sanierungsmaßnahmen einzuleiten.